14. September 2022

Interview mit Frau Gabler

FIW: Frau Gabler, Sie sind vor einigen Monaten achtzig Jahre alt geworden und Sie sind mit Abstand die älteste Teilnehmerin der Friedensinitiative Westpfalz. Die übrigen Mitglieder sind überwiegend mehr als 30 Jahre jünger als Sie. Haben Sie den Eindruck, dass diese Jüngeren Ihnen mit Vorbehalten begegnen?

Gabler: In keiner Weise. Das was ich zu sagen habe, sage ich und habe auch das Gefühl, dass es aufgenommen wird. Ich fühle mich nicht irgendwie überflüssig.

FIW: Gibt es Inhalte in der Arbeit der Friedesninitiative, die Ihnen besonders am Herzen liegen ?
Gabler: Ja, ich möchte den sehr viel jüngeren mitteilen, wie schrecklich der letzte Krieg war, und dass man alles daran setzen muss, das so etwas nicht wieder passiert.

 

FIW: Man spürt, dass Ihre persönlichen Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg eine entscheidende Rolle spielen. Gibt es da Ereignisse, die für Sie besonders eindrücklich waren ?
Gabler: Vor Augen stehen mir insbesondere die Verhältnisse der letzten Tage vor dem Einmarsch der Amarikaner: der Zustand, dass man sich bei Tage nicht mehr aus dem Haus zu gehen traute, weil man ständig mit einem Bordwaffenangriff feindlicher Flugzeuge rechnen musste; dass viele Häuser zerstört waren; dass die flüchtenden deutschen Truppen übermüdet und abgerissen durchs Dorf zogen. Ich kann mich daran erinnern, dass Soldaten nachts bei uns ans Fenster klopften um uns zu fragen, wie sie am besten ungesehen von feindlichen Flugzeugen durch den Wald an den Rhein kommen können. Das sind Dinge, an die ich immer wieder denken muss.

FIW: Aber gibt es nicht auch Leute, die sagen: Das sind doch alles alte, vergangene Geschichten,die heute nicht mehr wichtig sind und die man heute vergessen solte.

Gabler: Richtig, das stimmt. Aber trotz allem wage ich auch heute noch, daran zu erinnern. Ich halte das für sehr wichtig, dass auch die jüngeren Leute wissen, wie schrecklich jeder Krieg ist.

FIW: Die Friedensinitiative Westpfalz ist im Widerspruch gegen den damals drohenden zweiten Irakkrieg entstanden. Waren Sie von Anfang mit dabei?

Gabler: Ja, seit dem ersten Friedensgebet. Ich bin beigetreten, weil ich durch die Initiative die Leute aufrütteln und ihnen klar machen wollte, dass es keinen Grund gibt, irgendeinen Krieg anzufangen. Darum komme ich auch zu den Friedensgebeten der Initiative. Ich wünsche mir nur, dass mehr Menschen an ihnen teilnehmen.

FIW: Finden diese Friedensgebete regelmäßig statt?

Gabler: Immer am ersten Samstag im Monat und zwar um 15 Uhr auf dem Parkplatz an der Westzufahrt zur Air Base.

FIW: In der Folgezeit hat die Friedensinitiative auch bei einigen größeren Veranstaltungen mitgewirkt, Sie erinnern sich?

Gabler: Ja, unter anderen an den Protestmarsch von Landstuhl zur Air Base am 20. März 2004, dem Jahrestag des Ausbruchs des Irakkriegs.Bei der Schlussveranstaltung haben auch prominente Redner gesprochen.

FIW: Zum Beispiel Professor Horst Eberhard Richter und Oskar Lafontaine.

Gabler: Ich denke noch sehr gern daran zurück und vor allem daran, dass sehr viele Menschen teilgenommen haben. Erstaunt war ich besonders darüber, dass auch die örtliche Prominenz vertreten war, zum Beispiel unser Verbandsbürgermeister und Kirchenvertreter.

FIW: Noch eine andere Frage: Sicher kommen Sie, Frau Gabler, häufig mit Menschen Ihrer Altersgruppe ins Gespräch, die wissen, dass Sie in der Friedensinitia-tive mitarbeiten. Was sagen denn diese Menschen zu Ihrem Engagement ?

Gabler: Sie sagen, wenn du das so empfindest, dann mach das. Aber wenn ich dann frage, warum geht ihr nicht mit mir, dann geben sie mir zur Antwort: Bringt’s was? Es ist nicht so, dass sie die Friedensarbeit negativ sehen, aber sie fragen: Was bringt’s?

FIW: Das ist Ausdruck einer Resignation, die auch gegenüber anderen Problemen entstanden ist, nicht nur in der Friedensfrage. – Nun aber, Frau Gabler: Welches Gefühl haben Sie: Bringt’s was ?

Gabler: Für mich: Ja,es bringt mir sehr viel, und zwar deshalb, weil ich etwas gegen den Krieg tun kann. Das gibt mir eine innere Befriedigung. Und was ich mache, mache ich aus voller Überzeugung, und zwar vom ersten Tag an.

FIW: Frau Gabler, wenn man aus Ihrem Haus vor die Tür tritt, hat man den direkten Blick von oben auf die NATO-Luftwaffenbasis Ramstein. Man sieht die Flugzeuge, die teilweise recht eindrucksvollen Bauten und die Signaleinrichtungen. Was für Gedanken kommen Ihnen, wenn Sie das tagtäglich vor Augen haben ?

Gabler: Gar keine freundlichen. – Wenn ich früher in diese Richtung geblickt habe, dann lag das Landstuhler Bruch vor mir als eine absolut friedliche, unberührte Landschaft mit ihren Moorflächen, Waldungen und Weihern. Wenn ich jetzt hinschaue, denke ich an Krieg. Am meisten stört mich der Anblick bei Nacht: Dann ist das ganze Bruch hell erleuchtet. Da hat man das Gefühl: da liegt etwas, was nicht hierher gehört.